
Wien, 29. November 2025 – Das Europäische Parlament hat am Donnerstag, 27. November 2025 die Verstöße der Islamischen Republik Iran gegen die religiöse Minderheit der Bahá’í „“aufs Schärfste verurteilt“, über 45 Jahre „systematischer Verfolgung“ angeprangert und die europäischen Beamten aufgefordert, die Bedenken des Parlaments an die iranische Regierung weiterzuleiten.
Die Verurteilung erfolgte durch eine beispiellose und historische Dringlichkeitsentschließung – die neueste eigenständige Maßnahme des Parlaments, mit der es seine Besorgnis über das Ausmaß der Verfolgung der Bahá’í zum Ausdruck bringt. Sie wurde von 549 Mitgliedern des Europäischen Parlaments in einer überwältigenden Demonstration parteiübergreifender Einigkeit verabschiedet.
Dringlichkeitsentschließungen sind wichtige Instrumente des Europäischen Parlaments, um öffentliche Bedenken zu Menschenrechten und anderen Themen zu äußern – in diesem Fall zu den jahrzehntelangen Angriffen auf Bahá’í im Iran.
Die Resolution „zu der verschärften Unterdrückung der Bahá’í im Iran“ dokumentiert die fehlende verfassungsrechtliche Anerkennung der Bahá’í-Gemeinde, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, Verschleppungen, die Verweigerung würdiger Bestattungen, die Beschlagnahmung von Eigentum, die Verweigerung von Bildung und Beschäftigung sowie die Aufstachelung zum Hass durch staatlich kontrollierte Medien.
Die Entschließung folgt nur wenige Tage auf die Verurteilung der „kumulativen“ Auswirkungen der Verfolgung von Minderheiten durch die iranische Regierung seitens der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in der die ausdrückliche Besorgnis über die Rechte der Baha´i ausgedrückt wurde.
In der europäischen Entschließung wird auch auf ein 1991 vom Obersten Führer der Islamischen Republik unterzeichnetes Memorandum hingewiesen, in dem diese Politik festgeschrieben wird und das fordert, den „Fortschritt und die Entwicklung“ der Bahá’í zu „blockieren“.
Wir begrüßen es, dass das Europäische Parlament diese historische Dringlichkeitsentschließung zur Verfolgung der Bahá’í im Iran mit einer so deutlichen Mehrheit verabschiedet hat. Die europäischen Staaten und EU-Institutionen setzen sich seit Jahrzehnten für die Rechte der iranischen Bahá’í ein. In den letzten Jahren hat diese Unterstützung noch weiter an Stärke und Entschlossenheit gewonnen, da die Verfolgung der Bahá’í durch die iranische Regierung zugenommen hat“, sagte Alessandro Benedetti, Vertreter der Bahá’í International Community bei den europäischen Institutionen in Brüssel.
Auch die österreichische Bahá’í-Gemeinde betont die Bedeutung dieser Entschließung. „Mit der am 27. November angenommenen historischen Resolution setzt das Europäische Parlament ein starkes Zeichen gegen die Verfolgung der Bahá’í im Iran. Die Forderung an die iranischen Behörden ist eindeutig: Die diskriminierende Politik muss beendet werden und die völkerrechtlich garantierten Rechte sind einzuhalten“, erklärt Isma Forghani, Menschenrechtsbeauftragte der Bahá’í-Religionsgemeinschaft in Österreich.
Parlamentarier vereinen sich zur Verteidigung der Rechte der Bahá’í
Mehrere Europaabgeordnete sprachen sich während einer Debatte vor der Abstimmung für die Bahá’í im Iran aus.
„Über 1 200 Menschen wurden 2024 allein wegen ihres Glaubens verfolgt, eingeschüchtert, inhaftiert. Zwei Drittel der Inhaftierten sind Frauen. Sie erleben Folter, unfaire Prozesse, jahrzehntelange Haftstrafen. Friedhöfe werden geschändet, Eigentum konfisziert, Familien zerrissen (…) Wer Unschuldige verfolgt, wer Folter und Hinrichtungen als Werkzeug der Unterdrückung nutzt, darf nicht weiter ungestraft bleiben. Aber wir schauen nicht weg, wir verurteilen auch(...) Unsere Botschaft ist sehr klar: Die Bahá'i sind nicht allein! Die Frauen im Iran sind nicht allein! Die Prinzipien der Bahá'í sind Harmonie und Freiheit - das wünschen wir allen Menschen im Iran“ sagte der österreichische Europaabgeordnete Helmut Brandstätter.
Hannah Neumann, deutsche Europaabgeordnete und Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zum Iran des Europäischen Parlaments, sagte: „Ein Staat, der Menschen wegen ihres Glaubens oder ihres Geschlechts inhaftiert, ist nicht stark, sondern verängstigt. Ein Regime, das Bahá’í-Häuser beschlagnahmt, ist nicht mächtig, sondern zeigt nur, wie brüchig seine eigenen Mauern geworden sind.“ „Wenn man eine Frau zum Schweigen bringt“, fügte Neumann hinzu und verwies dabei auf die Tatsache, dass die meisten Bahá’í, gegen die die iranische Regierung rechtliche Schritte einleitet, Frauen sind, „kehrt ihre Stimme durch Millionen zurück.“
Die tschechische Europaabgeordnete Danuse Nerudova bezeichnete die Verfolgung als „fortdauerndes Muster der Tyrannei“ und als „Versuch, die Geschichte und Identität einer ganzen Gemeinschaft auszulöschen“, während die schwedische Europaabgeordnete Evin Incir hinzufügte, dass die Politik des Iran gegenüber den Bahá’í „gezielte Verfolgung“ und „ein vom Staat inszeniertes Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sei.
Die slowakische Europaabgeordnete Miriam Lexmann bezeichnete die Bahá’í als „Vorbild für Menschen auf der ganzen Welt, weil sie trotz Verfolgung und Ungerechtigkeit einander und ihre Mitbürger mit großem Mut und Widerstandskraft unterstützen“.
„Europa muss sich für die Bahá’í einsetzen“, sagte auch Danuse Nerudova, „einschließlich der Angehörigen aller religiösen Minderheiten“, und der maltesische Europaabgeordnete Daniel Attard betonte: „Worte ohne Konsequenzen schützen niemanden. Wenn der Iran die Anerkennung und die Grundrechte verweigert, muss die EU mit echtem Druck reagieren.“
In einer offiziellen Antwort auf die Debatte erklärte EU-Kommissarin Maria Luís Albuquerque, dass die EU „weiterhin ihre Stimme erheben und den Iran dazu auffordern wird, die Achtung der Grundfreiheiten für alle zu gewährleisten, einschließlich der Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde und anderer ethnischer und religiöser Minderheiten im Land“.
Beispiellose Forderungen nach Religionsfreiheit für die Bahá’í
Die Dringlichkeitsentschließung „verurteilt nachdrücklich“ auch die eskalierende Verfolgung der Bahá’í sowie jede Unterdrückung religiöser und ethnischer Minderheiten und von Frauen und fordert die sofortige Beendigung von Diskriminierung, Schikanen, willkürlichen Inhaftierungen, Beschlagnahmung von Eigentum und anderen Verletzungen der Grundrechte.
Bahá’í und andere, die wegen ihrer Religion oder Weltanschauung inhaftiert sind, einschließlich derer, die unter erfundenen Vorwürfen der „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ oder der Blasphemie festgehalten werden, müssen „unverzüglich“ freigelassen werden, erklärte das Parlament.
Bahá’í-Frauen machen mittlerweile mehr als die Hälfte der Bahá’ís aus, gegen die Gerichtsverfahren laufen, fügte die Resolution mit „tiefer Besorgnis“ hinzu und verwies dabei auf über 1.200 Gerichtsverfahren gegen Bahá’ís im letzten Jahr. Die unrechtmäßigen Verurteilungen mehrerer Frauen – darunter Austria PEN Preisträgerin Mahvash Sabet und Fariba Kamalabadi, so das Parlament – müssen aufgehoben werden.
In der Entschließung heißt es, dass die iranische Regierung auch „alle beschlagnahmten Vermögenswerte“ von Baha´i zurückgeben, den Opfern von Verletzungen wirtschaftlicher Rechte Entschädigungen zahlen und Bahá’ís Zugang zu Bildung, Beschäftigung und anderen grundlegenden Dienstleistungen gewähren sollte. Friedhöfe dürfen nicht länger beschlagnahmt oder geschändet werden, fügten die Abgeordneten hinzu, wie dies in Teheran, Ahvaz, Rafsanjan, Kerman, Hamadan und anderen Orten des Landes geschehen ist.
Die Entschließung fordert die Institutionen und Beamten der Europäischen Union sowie die EU-Mitgliedstaaten auf, die sich verschlechternde Menschenrechtslage im Iran – einschließlich der Verletzungen der Religions- und Glaubensfreiheit – in bilateralen Gesprächen mit der iranischen Regierung anzusprechen und Sanktionen gegen iranische Richter, Staatsanwälte und Geheimdienstbeamte zu verhängen, die für die Verfolgung der Bahá’í verantwortlich sind.
Das Parlament wies seinen Präsidenten außerdem an, die Dringlichkeitsentschließung an die europäischen Institutionen, die EU-Mitgliedstaaten und insbesondere an hochrangige iranische Beamte weiterzuleiten.
Bisherige europäische Unterstützung für die Rechte der iranischen Bahá’í
Dieser Dringlichkeitsentschließung gehen drei weitere Entschließungen des Europäischen Parlaments voran, in denen die Verfolgung der Bahá’í im Iran allein im vergangenen Jahr angeprangert wurde – ein klarer Beweis für den anhaltenden Konsens und die wachsende Besorgnis im gesamten politischen Spektrum Europas hinsichtlich der Notwendigkeit dringender Maßnahmen. Die drei vorherigen Resolutionen – im November 2024, Januar 2025 und April 2025 – verurteilten jeweils die systematische religiöse Verfolgung im Iran und forderten den Schutz der Grundrechte.
Anfang dieses Jahres unterzeichneten 125 Mitglieder des Europäischen Parlaments und europäische Parlamentarier eine gemeinsame Erklärung, in der sie auf die eskalierende Misshandlung von Bahá’í-Frauen im Iran aufmerksam machten und die internationale Gemeinschaft zu einer dringenden und entschlossenen Reaktion aufforderten.
„Unter den 125 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern der gemeinsamen Erklärung zur eskalierenden Verfolgung von Bahá’í-Frauen im Iran finden sich auch die österreichischen Abgeordneten Petra Bayr, Meri Disoski, Johannes Gasser, Elisabeth Götze, Markus Hofer, Wolfgang Kocevar, Stephanie Krisper, Gudrun Kugler, Robert Laimer, Sigrid Maurer, Barbara Teiber und Sophie Marie Wotschke, die zudem die Petition zugunsten der Bahá’í-Frauen ausdrücklich unterstützt haben“, betont Isma Forghani, Menschenrechtsbeauftragte der Bahá’í-Gemeinde in Österreich. „Ein weiteres deutliches Zeichen setzte die parlamentarische Anfrage‚ Staatlich gebilligte Aufstachelung zum Hass und systematische Drangsalierung der Bahá’í im Iran‘, die von sieben Abgeordneten eingebracht wurde, darunter die österreichischen Parlamentarier Günther Sidl, Lukas Mandl und Helmut Brandstätter.
Und im letzten Jahr reichten 24 Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen drei parlamentarische Anfragen an die Hohe Vertreterin Kaja Kallas ein, um ihre Besorgnis über das Ausmaß der Verfolgung, die Kampagne religiösen Hasses und den Missbrauch staatlicher Stiftungen und Finanzinstitute zur Beschlagnahmung von Vermögenswerten der Bahá’í im Iran zum Ausdruck zu bringen.
Im April 2025 führte der Rat der Europäischen Union ein Paket von Menschenrechtssanktionen ein, in dem ausdrücklich die Verfolgung der Bahá’í im Iran erwähnt wurde, was das Engagement Europas für die Rechenschaftspflicht weiter unterstreicht.
„Dieses entschlossene Engagement für die Menschenrechte und gegen Unterdrückung – auf europäischer Ebene wie auch in Österreich – erfüllt uns mit großer Dankbarkeit und schenkt zugleich neue Hoffnung“, erklärt Isma Forghani.
Bahá'i-Religionsgemeinschaft Österreich
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Frau Mag. Isma Forghani
isma.forghani@at.bahai.org
Geschäftsführende Sekretärin:
Corinne Farid
Öffnungszeiten des Nationalen Bahá'í Sekretariats:
Montag - Freitag von 09:00 bis 12:00 Uhr und von 13:00 bis 15:00 Uhr
(ausgenommen sind gesetzliche und Bahá'í-Feiertage)
Das Sekretariat steht Ihnen auch telefonisch für Informationen zur Verfügung.