PRESSEMITTEILUNG
Neues Ausweisgesetz verwehrt Bahá’í grundlegende Rechte
WIEN, 4.2.2020
Jüngste Entwicklungen im Iran machen es für Angehörige der größten religiösen Minderheit unmöglich Personalausweise zu erlangen. Durch eine Änderung im Antragsformular für Personalausweise ist eine Antragstellung nur mehr für Angehörige der im Iran anerkannten Religionen – d.h. Islam, Christentum, Judentum und Zoroastrismus – möglich. Ohne Personalausweis bleiben den Bahá’í und Angehörigen anderer Glaubensrichtungen die grundlegendsten öffentlichen Dienstleistungen, wie z.B. die Erlangung eines Reisepasses oder Führerscheins, die Erlangung von Arbeitserlaubnissen, die Eröffnung eines Bankkontos u.a. verwehrt.
„Bahá’í auf der ganzen Welt bemühen sich zum friedvollen Miteinander beizutragen und halten sich an staatliche Gesetze. Die österreichische Bahá’í-Gemeinde ist alarmiert über die jüngste Verfolgungswelle der iranischen Behörden gegen die Bahá’í-Gemeinde im Iran und appelliert an die internationale Gemeinschaft, diese Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen“, sagt Jonathan Zarifzadeh, Sprecher der österreichischen Bahá’í-Religionsgemeinschaft.
Darüber hinaus wurde die unerbittliche Fehlinformationskampagne über den Bahá’í-Glauben, die sich an die iranische Öffentlichkeit richtet, in den Medien und sozialen Netzwerken mit voller Intensität fortgesetzt. Tausende Artikel solcher Anti-Bahá’í-Propaganda wurden allein im Jahr 2019 in Umlauf gebracht. Ein kleiner Teil dieser Inhalte ist auf der Website zur Verfolgung der Bahá’í im Iran verfügbar (https://iranbahaipersecution.bic.org/).
„Entgegen der Behauptung iranischer Verantwortungsträger, sowohl innerhalb des Landes als auch gegenüber den Vereinten Nationen, werden den Bahá’í seit Jahrzehnten Bürgerrechte verwehrt. Nun institutionalisieren die Behörden einen weiteren Mechanismus zur Unterdrückung der Bahá’í, der die unerbittliche Verfolgungskampagne in praktisch allen Lebensbereichen – Kultur, Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft – fortsetzt. Dennoch bemühen sich die Bahá’í im Iran weiterhin, in Übereinstimmung mit den Bahá’í-Schriften zu leben, die die Wahrhaftigkeit als „Grundlage aller menschlichen Tugenden“ hochhalten. Wie kann es sein, dass die Bahá’í, die sich um ihren Personalausweis, um Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor oder um die Einschreibung an einer Universität bewerben, einzig für ihre Wahrhaftigkeit bestraft werden?“, so Zarifzadeh weiter.
Diese Entwicklungen sind eine Fortsetzung der seit Jahrzehnten andauernden religiösen und wirtschaftlichen Unterdrückung der Bahá’í im Iran durch das iranische Regime. Damit stellen sie einen weiteren Versuch dar, den Bahá’í systematisch ihre Lebensgrundlage zu entziehen und sie aus dem Geburtsland ihres Glaubens zu vertreiben.
Einführung
Der Bahá’í-Glaube ist eine unabhängige monotheistische Weltreligion und mit mehreren Millionen Anhängern weltweit verbreitet. Die Bahá’í-Schriften lehren Prinzipien wie die Gleichberechtigung von Frau und Mann, das Ablegen von Vorurteilen, Harmonie von Religion und Wissenschaft sowie das friedliche Zusammenleben aller Religionen und der gesamten Menschheit.
Im Iran, dem Ursprungsland des Glaubens, bilden die Bahá’í die größte nicht-islamische religiöse Minderheit. Die Verfolgungsgeschichte der Bahá’í im Iran beginnt bereits mit den Anfängen der Religion im Jahr 1844. Seit der Islamischen Revolution 1979 werden Bahá’í systematisch verfolgt. Das iranische Regime formulierte 1991 sogar eine eigene Staatsdoktrin mit dem Ziel, die Bahá’í als lebensfähige Gemeinschaft in Iran und im Ausland auszuschalten. Die Verfolgung
wurde zu diesem Zweck über den Einfluss auf die Huthis in den Jemen exportiert.
Hintergrund zur aktuellen Situation im Iran
Ab dem Alter von 16 Jahren haben iranischer Bürger den gesetzlichen Anspruch auf einen Personalausweis. Vor einigen Jahren wurden die iranischen Personalausweise auf Smart Cards umgestellt, die neben allen persönlichen Informationen auch Sicherheits-, Finanz- und andere Informationen enthalten. Für viele alltägliche Angelegenheiten, wie die Einschreibung an einer Universität, die Erlangung eines Reisepasses oder Führerscheins, der Verkauf und Kauf von Immobilien und Autos, die Durchführung von Hotelreservierungen, die Buchung eines Fluges, die Erlangung von Arbeitserlaubnissen, die Eröffnung von Bankkonten, die Beantragung von Darlehen, die Durchführung von Überweisungen, usw. ist der Besitz eines Personalausweises notwendig.
Seit März 2019 können diese neuen Personalausweise über ein Webportal beantragt werden, in dem nur vier Optionen im Bereich der Religion angeboten werden. Es handelt sich dabei um die in der Verfassung anerkannten Religionen Islam, Christentum, Judentum und Zoroastrismus. Ein Feld für „sonstige Religionen“ enthält das Antragsformular nicht. Ein wichtiges Grundprinzip des Bahá’í-Glaubens stellt die Wahrhaftigkeit dar, wodurch die Verleugnung des eigenen Glaubens selbst unter Verfolgung bzw. Unterdrückung für die meisten Bahá’í keine Option darstellt.
In den vergangenen drei Monaten waren Bahá’í auch zahlreichen Hausdurchsuchungen, Angriffen auf Grundstücke, Beschlagnahmungen von Eigentum, Entlassungen aus dem Arbeitsleben und der fortgesetzten Verweigerung des Zugangs zu höherer Bildung ausgesetzt. In einem Fall wurde ein Arbeitgeber, der selbst nicht Bahá’í ist, gezwungen, eine Liste seiner Bahá’í-Angestellten vorzulegen und sie dann aus dem Arbeitsverhältnis zu entlassen. Kürzlich hat ein Gericht auch die Beschlagnahmung aller Grundstücke der Bahá’í im Dorf Ivel angeordnet, weil die Bahá’í „eine perverse Ideologie“ und daher keine „Legitimität im Besitz“ ihrer Grundstücke hätten – obwohl diese seit mehreren Generationen dort Grundstücke besitzen. Außerdem wurden allein in den letzten drei Monaten Dutzende Bahá’í verhaftet, und Dutzende weitere erhielten religiös motivierte Haftstrafen von insgesamt fast einhundert Jahren.
Rückfragen & Kontakt:
Bahá’í-Religionsgemeinschaft Österreich
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Frau Mag. Isma Forghani: isma.forghani@bahai.org
Frau Dr. Anja Spengler: anja.spengler@bahai.org