Die österreichische Bahai-Gemeinde hat sich besorgt über die jüngste Welle von Razzien bei und Verhaftungen von Bahai im Iran gezeigt. Der deutsch-iranische Politologe und Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad spricht von einer „beispiellosen Verfolgung“.
Die Bahá’í sind im Iran die größte, aber nicht anerkannten religiöse Minderheit und hat nach Angaben der Bahá’í Österreich mehr als 300.000 Anhängerinnen und Anhänger. Für sie habe die „Nichtexistenz des Rechtsstaates“ noch gefährlichere Auswirkungen als auf andere Bevölkerungsgruppen, sagte Fathollah-Nejad gegenüber der Ö1-Sendung „Religion aktuell“. Er spricht von einer „beispiellosen Verfolgung der Bahá’í im Iran“.
113 Personen seien aufgrund der Tatsache, dass sie Bahá’í sind, derzeit inhaftiert, sagte die Sprecherin der Bahá’í Österreich Anja Spengler im Ö1-Interview. Darunter befinden sich führende Mitglieder der Gemeinde.
Spionagevorwurf
Der iranische Geheimdienst habe am 31. Juli 2022 eine „erschreckende Erklärung“ veröffentlicht, die aus „Hasspropaganda, Verleumdung, Desinformation und Diffamierung“ bestehe und als Rechtfertigung für Razzien in den Wohnungen und Geschäften diene, so eine Aussendung der österreichischen Bahá’í.
Hintergrund für die Repressalien sei „die enge Verflechtung der politisch-ideologischen Geschichte der iranischen Republik“, sagte der Politologe. Das zeige sich auch darin, dass Bahá’í vom Bildungssystem ausgeschlossen sind. Sie hätten ein Untergrund-Bildungssystem aufgebaut. Zudem würden Bahá’í im Iran als Spione Israels gelten. Dort befinden sich die heiligen Stätten der Religionsgemeinschaft.
Als Häretiker gebrandmarkt
Dadurch, dass die Religion der Bahá’í nach dem Islam entstanden sei, gelte sie als Abfall vom Glauben, als Häresie, sagte Spengler. Der Islam enststand im frühen 7. Jahrhundert, das Bahá’ítum Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Bahá’ítum gelte die Ansicht, dass Gott sich den Menschen in verschiedenen Zeiten unterschiedlich gezeigt habe und auch noch anders zeigen werde, so die Sprecherin.
Bahá’í sind überzeugt, dass die Lehren aller Religionsstifter derselben göttlichen Quelle entstammen und die Religionen im Kern die gleichen Ideale und Grundsätze enthalten. Daraus entspringt auch das Verständnis, dass alle Menschen in ihrer Vielfalt eine Einheit bilden.
In der Provinz Mazandaran, im Norden des Iran, seien nun Bahá’í enteignet und ihre Häuser dem Erdboden gleichgemacht worden, schreiben die Bahá’í in ihrer Aussendung. Smartphones und Kameras seien konfisziert worden, „um jede Art der Dokumentation zu verhindern“. Bereits in den letzten Jahren seien Felder und Äcker der bäuerlichen Bevölkerung des Dorfes enteignet und den betroffenen Menschen somit die Lebensgrundlage entzogen worden. Nachbarn würden gewarnt, sich nicht einzumischen.
Aufruf an die internationale Gemeinschaft
Die aktuellen Gewaltdemonstrationen würden „die sinnlose Grausamkeit der iranischen Regierung bei ihrer systematischen Kampagne zur Verfolgung der gesamten Religionsgemeinschaft“ zeigen, wird die Sprecherin der internationalen Bahai-Gemeinde am Sitz der Vereinten Nationen in Genf, Diane Alai, in der Aussendung zitiert.
Empört über die jüngsten Entwicklungen ruft neben der Österreichischen Bahá’í-Gemeinde auch das Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte die internationale Gemeinschaft, Menschenrechtsorganisationen, politische und religiöse Vertreter sowie Akteure der Zivilgesellschaft auf, „diese Menschenrechtsverletzungen auf das Schärfste zu verurteilen und für die sofortige Freilassung der Unschuldigen einzutreten“.
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